Das Dalheim Projekt 2014
Auf Initiative der Stiftung Kloster Dalheim ist gemeinsam mit dem Berliner Vokalensemble Vox Nostra in der Dalheimer Klosterkirche eine Ersteinspielung von Mönchsgesängen des 15. Jahrhunderts entstanden, deren Ursprung auch auf das Kloster Dalheim verweist.
Um 1500 lebten im Kloster Dalheim 24 Chorherren und 100 Laienbrüder. Es galt als das geistliche, aber auch wirtschaftliche Zentrum des südlichen Paderborner Landes. Große Teile dieser spätgotischen Kernanlage sind im heutigen Bestand noch erhalten. So gehört die freigelegte Deckenmalerei in der Apsis der Kirche in die Bauzeit um 1470/80, bzw. zu einer zweiten Ausmalung um 1520.
Welche Musik ist zu dieser Zeit in diesen historisch einmaligen Räumen erklungen? Hier rückt eine Handschrift mit der Signatur 322/1994, die in der Stadtbibliothek Trier aufbewahrt wird, in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Geschrieben wurde der musikalische Teil der Handschrift in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und wurde später in Eberhardsklausen aufbewahrt, das wie das Kloster Dalheim von Böddeken aus gegründet wurde. Diese Gesänge sind bislang die einzig bekannte Quelle für die musikalische Ausgestaltung der Liturgie der Augustiner-Chorherren innerhalb der Windesheimer Kongregation.
Die Gesänge sind Teil einer mittelalterlichen Handschrift aus einem Schwesterkloster Dalheims, dem Augustiner-Chorherrenstift Eberhardsklausen bei Trier, das ebenso wie Dalheim der Windesheimer Kongregation, einer spätmittelalterlichen Reformbewegung, angehörte und sich der Frömmigkeitsbewegung „Devotio moderna“ verpflichtet fühlte. Beide Klöster verbindet das westfälische Kloster Böddeken: Von hier aus wurde Dalheim im 15. Jahrhundert gegründet und Eberhardsklausen reformiert.
Heute befindet sich die betreffende Handschrift unter der Nr. 322 in der Stadtbibliothek Trier. Auf der Suche nach den „Dalheimer Gesängen“, den Zeugnissen der frühen musikalischen Praxis der Chorherren am Ort, wurde sie nun für die Museumsarbeit wiederentdeckt.
Die aufgenommenen Gesänge bieten einen Querschnitt durch die formenreiche geistliche Musik des Spätmittelalters. Sie waren unzweifelhaft dafür bestimmt, kirchliche Hochfeste (Ostern, Weihnachten, Heiligenfeste) mit ihrer musikalischen Pracht zu bereichern und die Themen der Devotio moderna – Christus und Maria – widerzuspiegeln. Mehrstimmige Gesänge (Motetten) gehören ebenso zum vorgefundenen Spektrum wie einstimmige lateinische und deutsche Lieder – darunter auch das titelgebende „heylich ist der dag“.
Der Aufnahme voran ging ein aufwendiges Quellenstudium, in dessen Zuge sowohl eine musikwissenschaftliche Einordnung der Handschrift entstand (Burkard Wehner) als auch eine Neuedition der ursprünglich in Mensural-Notation niedergeschriebenen Noten (Christoph Burmester) und eine Übertragung der größtenteils lateinischen Texte ins Deutsche (Dr. Wolfgang Katzenschlager). Gemeinsam mit farbigen Abbildungen der Musikhandschrift (fol. 207r-215r) erscheinen diese Daten zusätzlich zum eigentlichen Tonträger auf einer weiteren dazugehörigen CD.
Quellen zur musikalischen Praxis im Kloster Dalheim sind rar. Wie große Teile der Einrichtung der gesamten Anlage ging auch der Bestand der Bibliothek bei der Auflösung des Klosters (1803) verloren oder nahm unwiederbringlich Schaden. Ein Hinweis des Musikwissenschaftlers Prof. Dr. Rudolf Ewerhart (Köln) brachte die Dalheimer Museumsleute auf die Trierer Handschrift.