23.09.2022 - 24.09.2022
14:00
Dorfkirche Scheffau, Scheffau
Herzlich Willkommen zum Seminar Pilgergesänge des Mittelalters
Pilgern ist wieder en vouge und viele neue Pilgerwege sind in den letzten Jahren in Europa entstanden. Das Phänomen des „sich auf den Weg machen“ ist weltweit verbreitet und geht zurück in die vorchristliche Zeit. Bereits in der Antike war einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der griechischen Welt der Tempel der Artemis in Ephesos, wie auch das Apollon-Orakel von Delphi.
Schätzungen haben ergeben, dass zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert jeweils 30% bis zu 50% der erwachsenen Bevölkerung in Europa auf einer Pilgerfahrt zu einer der rund 10 000 anerkannten Pilgerstätten unterwegs waren. Dabei blieb die Pilgerfahrt nach Jerusalem im Heiligen Land bis ins 12. Jahrhundert hinein die bedeutenste.
Im europäischen Mittelalter standen neben Jerusalem die Zielorte Rom, Santiago de Compostela und Montserrat auf der Wunschliste der Pilger:innen. Die Vorstellung, wegen sündhaftem Verhalten auf immer im Höllenfeuer zu landen, bewegte viele Menschen dazu, die heiligen Orte zu besuchen. Die Hoffnung auf Vergebung der Sünden und Heilserwartung am Zielort.
Jerusalem ist durch das Leiden und Sterben des historisch bezeugten Jesus bis heute noch immer ein Anziehungspunkt für gläubige Menschen verschiedenster Religionen. Rom ist geprägt durch die Anfänge der Christenheit mit Katakomben und dem Petrusgrab, auf dem später der Petersdom errichtet wurde. Nach Santiago de Compostela mit seiner Kathedrale und den Reliquien des Heiligen Jakobus pilgern seit vielen Jahrhunderten Menschen aus der ganzen Welt quer durch Europa. Im nordspanischen Kloster Montserrat sind es keine Reliquien, sondern die vielen Wunder, die sich bei einer schwarzen Statue der Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind ereignet haben.
Nach der Ankunft wurde – wie für das Kloster Montserrat von Zeitgenossen berichtet – auch ausgelassen getanzt: Stella splendens, Cuncti simus und andere Gesänge sind als Rundtänze (ball redon) charakterisiert. Das nach seinem Einband titulierte „rote Buch“ (Llibre vermell) enthält zehn ein- und mehrstimmige Gesänge des 14. Jahrhunderts aus dem Kloster Montserrat.
Festliche Gesänge wie Rex immense, pater pie – Kyrie eleison prägten die feierlichen Gottesdienste in Santiago de Compostela nach dem langen, entbehrungsreichen Weg über die Pyrenäen und der Ankunft in der Kathedrale mit seinem staunenswerten schwenkbaren gigantischen Weihrauchfaß.
Santiago de Compostela trat im 12. Jahrhundert in Konkurrenz zu Jerusalem und Rom und wurde kontinuierlich zu einem Pilgerort am Ende der Erde (finis terrae) aufgebaut. Neue Gesänge wurden für den Hl. Jakobus komponiert, dessen Festtag am 25. Juli begangen wird. Der Weg im Norden Spaniens, der durch unsicheres Maurengebiet führte, war bewacht von unzähligen Soldaten.
Im sogenannten Codex Calixtinus (geschrieben um 1150) findet man – wie in einem heutigen Reiseführer – eine detaillierte Auflistung von sicheren Wegen nach Santiago, guten Herbergen und überteuerten Gasthäusern. Er wurde vermutlich von dem französichen Kleriker Aimeric Picaud zusammengestellt gilt als der erste Reiseführer Europas.
Vergnügliche und klangvolle Stunden in Scheffau wünscht Ihnen – Ihr Burkard Wehner
Information und Anmeldung über Thomas Heim: t.heim@ib-querschnitt.de